… sucht Bauer

Es lebte einmal vor langer langer Zeit eine riesig grosse Bauernfamilie mitten in Mostindien. Die Familie besass da im Grünen ein schmuckes einfaches Bauernhaus mit angebautem Kuhstall, sowie riesiger Scheune, Aecker und saftiges Wiesland. Obstbäume und Beeren gediehen wunderprächtig. Auch den Kühen und dem braven Pferdchen fehlte es an nichts. Die Bauersleute, ihre Kinder und ihre zwei Knechte hatten alles im Griff und eine gute Spürnase für den richtigen Zeitpunkt betreffend Wies- und Ackerbau.

Der Lauf der Zeit, machte auch bei dieser wackeren Bauernfamilie nicht halt. Die erwachsenen Kinder hatten die Nase voll von der Feldarbeit. Dank ihrer guten Schulzeugnisse durften sie studieren. Keines der Kinder wollte nach dem Studium zurück auf den Hof… Einzig die Jüngste, die zog es wieder nach Hause. Für sie gab es nichts Schöneres als auf dem elterlichen Anwesen zu arbeiten. So sah man die etwas burschikos wirkende Lina tagtäglich mit dem Pferd entweder bei der Feldarbeit oder beim Transport der Milch in die Sennhütte oder beim Getreidetransport in die grossen Mühlen. Ebenso alle Besorgungen für den elterlichen Haushalt erledigte sie mit Pferd und Wagen. Ihre fröhliche und aufgeweckte Art gefiel Allen. Ausser, jemand versucht sie zu ärgern oder noch schlimmer über den Tisch zu ziehen. Ja, da konnte die Lina nicht aufs Maul hocken und sie erklärte dem Gegenüber energisch wo der Bartli seinen Most holt…  Sie konnte sich gut Respekt verschaffen, doch je älter sie wurde, um so schroffer wurde sie … Eines Tages erkrankten ihre Eltern und starben einfach so, eines nach dem anderen. Lina übernahm den elterlichen Hof und die zwei Knechte. Doch für dies Männer war Lina eine zu strenge Arbeitgeberin und sie machten sich eines Tages einfach auf und davon.

Der Lina war dies Recht. Endlich konnte sie Fuhrwerken und Haushalten, wie sie wollte. Für die Tiere zu sorgen war ihr das Schönste und für die Wies- und Feldarbeiten holte sie jeweils Männer auf den Hof, die gerade keine Arbeiten hatten. Die kamen noch so gerne, auch in der Hoffnung, die tüchtige Lina mal heiraten zu können. Aber da kamen sie an die falsche Adresse. Jede Annäherung wurde mit einem Rauswurf belohnt. Lina wurde mit der Zeit immer rebellischer und arbeitete Tag und Nacht.

Davon erfuhr auch Linas Gotte. Bei einem Besuch sagte diese zu ihrem Gottenkind, dir täte ein Mann gut – nicht nur auf dem Hof – auch sonst. Du wirst ja immer wunderlicher, und du endest sicher noch als alte Jungfer irgendwo im Irrenhaus. Das liess sich Lina nicht zwei Mal sagen – sie schmiss ihre Gotte raus und rief ihr nach: „Dann bring mir mal einen, der nicht nur das Eine will – und der auch schaffen kann!“ Verschmitzt drehte sich die Gotte um: „Dazu kann ich dir schon verhelfen, besonders auch, damit du endlich lernst, wie man mit Männern umgeht!“

Zwei Wochen später steht die Gotte unvermittelt wieder in Lina’s Stube. Triumphierend schwenkt sie ihrem Gottenkind ein paar Briefe unter die Nase: „Hier Lina lies! Da haben vier tolle Burschen ein Interesse daran, um mit dir zu leben und zu arbeiten.“ Erbost darüber reisst Lina ihrer Gotte die Briefe aus der Hand, schmeisst diese auf den Boden und wettert: „Weiss gar nicht was ich damit soll! Woher hast du die?“ – „He dänk! Ich habe ein Inserat in der Berner Zeitung aufgegeben und das ist das Resultat davon. Es hat ein paar interessante Typen dabei!“ –  â€žSo weit kommt es noch! Einen Typ mit Bernergrind kommt mir nicht ins Haus!“ Die Gotte diskutiert gar nicht lange, verzieht sich schnell und ruft noch von weitem: „ Na, meinst du so ein wackerer Berner möchte so eine zänkische mostindische Jungfer!?“

Lina starrt wie hypnotisiert auf die vier Briefe und nimmt einen nach dem anderen zur Hand. Sie wird immer nachdenklicher – und ein Brief mit Foto lässt ihr keine Ruhe. Sie schreibt diesem Walter zurück. Postwendend bekommt sie von ihm Antwort und er lädt sie zu einem Besuch bei sich zu Hause ein. Bereits ein paar Tage später hockt sie bei Walter und seiner Familie in der Stube. Die Reise ins Bernbiet und wieder nach Hause hat der Lina ausserordentlich gut gefallen. Nur, was sie dann beim Walter erlebt hat etwas weniger …

Sie erzählt ihrer Gotte vom Besuch beim Walter. Sie ereifert sich dabei wie ein kleines Kind: „Stell die vor Gotte, bei denen essen alle aus der gleichen Schüssel. Ich habe nur ein Serviette und eine Gabel bekommen. Mit der habe ich Brot in eine heisse Tunke tauchen müssen. Beim Essen von dem Zeug, habe ich mir fast den Mund verbrannt. Walter hat mich immer angelacht und gemeint – Essen Sie nur – der Käse ist nicht vergiftet. Also nie mehr bringt mich jemand in so ein Armenhaus vom Bernbiet!“ Die Gotte lacht erleichtert: „Lina, Lina du bist mir eine. Hast du noch nie etwas von Käsefondue gehört. Dieses Gericht isst man in den meisten Familien, auch bei uns, wenn es etwas zu feiern gibt!“ – „Erzähl du einem anderen so einen Käse… Eigentlich schade um den Walter der selber hätte mir schon gefallen …“.  Die Gotte seufzt: „Oh Lina jetzt hast du die Sache gründlich vergeigt… doch wart mal, zeig mir nochmal den Brief vom Walter und ich versuche die Sache in Ordnung zu bringen!“

Dies ist der lieben Gotte anscheinend gelungen… Auf jeden Fall sitzt ein paar Tage später Lina’s Walter im Zug nach Mostindien. Er studiert immer wieder Lina’s Brief, den er vor ein paar Tagen erhalten hat, mit der Einladung zu einem gemeinsamen Treffen bei Linas Gotte. Die Zugfahrt dünkt ihn schaurig lang. Denn das Betrachten von Linas beigelegten Fotos macht ihn etwas zu nervös. Da wird ihm plötzlich heiss. Oh jeh, jetzt habe ich vergessen für die Lina den Blumenstrauss mitzunehmen. Der Zug hält unerwartet in Frauenfeld. Der Kondukteur meldet, sie müssten einen Gegenzug abwarten, bevor sie wieder weiter fahren können… Walter springt auf, steigt aus dem Zug, rennt übers Perron zum Kiosk. Anstatt der Blumen ersteht er hier für seine Lina eine Schokolade. Uebglücklich rast er wieder zurück zu seinem Zug. Von dem sieht er nur noch die Rücklichter…

In der heutigen Zeit hätte man laut: „Scheisse!“ gesagt. Walter sagt etwas ähnliches. Geht zum Kiosk zurück und fragt dort den Verkäufer, wie man nach Mostindien komme. Dieser erklärt ihm den Weg: „Ist ganz einfach, nur der Thur entlang und dann rechts über die Brücke, durch den Wald und beim Bächlein, den Stotz hinauf und dann sind Sie dort!“ Ja, wenn es nur das ist, denkt sich der wackere Walter und macht sich straks auf den Weg.

Die Gotte und Lina stehen etwas nervös am Bahnhof von Mostindien. Lina plappert entgegen ihrer Art etwas mehr als sonst. „Wie soll ich das mit der Begrüssung halten – Soll ich ihm schon das „Du“ anbieten?“ Ihre Tante meint dazu: „Nein doch nicht jetzt Erst, wenn du siehst, dass er seinen Fleischteller nicht all zu gierig leer gegessen hat, wenn er vom Wein fast nichts trinkt, dafür um so mehr vom Kaffee, dann ist er sicher der Richtige – dann kannst du ihm das „Du“anbieten!“ Der Zug fährt im Bahnhof ein. Niemand steigt aus! Kein Walter weit und breit! „Da siehst du Gotte! Hatte doch Recht! Diese Bernergielen sind einfach zu nichts gut. Lässt doch der mich einfach sitzen!“ Die Gotte ist auch erbost: „Dem will ich was flüstern!“ Sie packt Lina energisch am Arm und schleift sie mit zu ihrem Nachbarn. Schnell stellt sie die Nummer von Walters Familie ein: „Ja, sagt mal Frau Fröhlich!? Wo steckt denn ihr Walter? Der soll jetzt marsch ans Telefon kommen!“ – und weiter: „Was sagen Sie, der ist auf dem Weg nach Mostindien? Das kann nicht sein. Der Zug ist ohne ihn angekommen!“ – und weiter: „Wie bitte? Er hat die Blumen für Lina daheim liegen gelassen!? Sehen Sie, dass ist der Beweis, dass dieser saubere Herr …“. nach einer Pause: „Nein, sicher Ehrenwort! Sie haben den Walter selber mit dem Traktor zum Zug gebracht?! Ach, jetzt mach ich mir Sorgen! Wo könnte der Arme nur sein?“ – Inzwischen schluchzt Lina, was man von ihr gar nicht kennt und hadert bereits mit ihrem Schicksal! „Oh Gotte, wenn der nur nicht beim Umsteigen in Zürich überfallen worden ist!?“ Wie hypnotisiert hält Lina’s Gotte die Luft an: „Moment mal, Lina! Du sagst der müsse in Zürich umsteigen? Also Zürich ist ein verdorbenes Pflaster! Der ist sicher noch rasch in die Räuberhöhle, weisst du dort gibt es Bier und Mädchen…. Och ich sage dir – fürchterlich – ein Alptraum und ich bin schuld daran. Das tut mir so leid Lina!“ Lina schnupft noch etwas, stampft auf den Boden und meint energisch: „Egal! Hab keine Zeit mehr zum Warten, muss zu meinen Kühen! Der soll mir ja nicht mehr unter die Augen kommen!“

Wieder zu Hause melkt Lina missmutig ihre Kühe und bringt die noch lauwarme Milch mit ihrem treuen Pferdchen  zur Sennerei. Vor sich hinbrummelnd kutschiert sie ihre Fracht etwas all ruppig! Da ruft einer: „Passen Sie auf gute Frau, bald haben Sie anstelle von Milch Nidlä in den Brenten!“ Lina öffnet ihren Mund und bringt diesen nicht mehr zu! Da steht ja heilandsdonner ihr Walter vor ihr! „Prrrr Brauner! – Ja sag Walter wo kommst denn du her?“ â€žIch? Von Frauenfeld, wenn ich gewusst hätte, das es so weit ist – der Zug ist einfach abgefahren – wo ich doch noch eine Schokolade für Sie ergattert habe. Weisst die Blumen…!“ „Ist schon gut! Steig – steigen Sie auf Walter, wir fahren nachher zur Gotte. Da gibt es dann halt anstelle von einem Vesper einen Znacht!“ Dass die Lina, bevor sie mit Walter bei der Gotte angelangt ist, noch ein Müntschi von ihm erhalten hat, verschweigt sie ihrer Gotte. Nur, das vertrauliche Du, hat der lieben Gotte so einiges verraten – und sie freut sich diebisch, dass die beiden auf dem guten Weg sind, ein Paar zu werden – und das dank ihr!

Tatsächlich! Die beiden haben geheiratet: Sie in Weiss und er im schwarzen Anzug. Leider haben die beiden keine Kinder mehr erhalten. Dazu ist der Zug bereits abgefahren. Unsere gute Lina ist von Tag zu Tag etwas weicher und gemütlicher geworden – und – ihr Walter strahlt, wie eh und jeh, den ganzen Tag mit allem und jedem um die Wette! Nichts mehr kann die beiden aus der Fassung bringen – und – wenn sie nicht gestorben sind, dann …

Nein, die beiden leben nicht mehr unter uns. Beide sind nacheinander, im hohen Alter, in Ruhe und Frieden von uns gegangen. Sie ruhen nun gemeinsam, oben am Stotz, mit dem Wissen ihr Leben geduldig, gelassen und achtsam gelebt zu haben.

Karl Hilti bringt es auf den Punkt:

Achte auf das Kleine in der Welt, das macht das Leben reicher und zufriedener!




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