Sie finden sich überall …

die Leute aus dem Zigerschlitz!

Fernab von daheim, sitze ich mit meinem Mann an der Sonne. Es darf gestrahlt werden – in eine herrliche Bergwelt.

Grüezi! ist da noch frei!“ – „Natürlich gerne!“ (Eigentlich weniger gerne, wenn ich ehrlich sein will …). Promt fäng der Herr Dazugekommene an zu quatschen! (Bingo! Darauf habe ich nur noch gewartet!). „Erschrecken Sie bitte nicht, unter dem Tisch schläft unser Hund …“ – „Der ist sicher nicht scharf auf meine alten aber immer noch strammen Wädli?!“ (Verzichte auf eine Antwort).

Oh, ich bin das erste Mal hier. Hab gar nicht gewusst, dass das Horu so schön und gewaltig ist!“, beginnt der Mister Dazugekommene zu plaudern. „Nun, wir kommen schon hunderte von Jahre nach Zermatt und bestaunen immer wieder die mächtige Ausstrahlung vom Horu!“, antwortet mein Mann! Darauf der andere: „Sie müssen wissen, ich hatte nie ein Interesse, auf Bergeshöhe meine Ferien zu verbringen, weil ich in den Bergen aufgewachsen bin!“ – „Es gibt halt Berge und Berge!“, lache ich. „Wem sagen Sie das! Da wo ich aufgewachsen bin, hatte ich den Froni im Genick und den Glärnisch vor der Nase … !“ – „Aha, und den Rauti an der empfindlichen Seite?!“, witzle ich. „Ja, woher kennen Sie den Rauti?“ – „Ganz einfach, weil ich unterhalb vom Wiggis aufgewachsen bin und mich darüber geärgert habe, dass der Rauti ein Meter höher ist als unser Wiggis! – „So krass und genial! Jetzt mache ich zum ersten Mal in den Bergen Ferien, und dann begegne ich ausgerechnet einer Glarnerin!“ – Ich lache: „Fliegen Sie mal nach Ägypten, da begegnen Sie den urchigsten Zigerschlitzler, mitten in der Wüste … in den Gräbern von …, äh, wie hiess das doch …?“ – „Theben West, meine liebe Frau!“

Es kommt, wie es kommen muss. Der Herr Dazugekommene und ich fühlen uns plötzlich seelenverwandt! Schon plaudern wir im breitesten Singsang über dies und das aus unserer alten Heimat. „Uebrigens, ich heisse Mutti, doch früher nannte man mich Vreneli!“ – „Äh ja, und ich bin der John! Heisse eigentlich Hansruedi, doch niemand nennt mich so seit … !“ – „Dann haben wir ja schon wieder etwas gemeinsam! Uebrigens mein Mann kommt aus Mostindien und nirgends wo auf der Welt sind wir jemandem aus dieser Region begegnet!“ Mein Mann mischt sich ein: „Doch vor einem Jahr in Kentucky!“ – „Du meinst den Päde und den Dave, die an der Texas Bar? Nein, mein lieber Mann die Beiden sind unter dem Rauti im Lochness aufgewachsen. Erst später, nach der Lehre, hat’s die zwei aus dem Zigerschlitz nach Mostindien verschlagen! He, John! Ziemlich sicher kennst du die Zwei auch! Die haben doch dort die grosse Palmenkulturplantage „Paddave“ auf Vordermann gebracht!“- „Du meinst aber nicht den Patrik vom Marie-Bäsi seelig und den David vom Malersmüller?!“ – „Präzis, genau diä zwei! Das sind würggli zwägi Chaibe! Immer guet druuf!“ – „Diä sind wiitume bekannt, als Palmezüchter, sogar in Italien!“ – „Gopferdeggel, die chänd doch us jedem Schiissdreck öppis Bodeschtändigs und Huereguets uf Bei schtelle!“

So kommen wir zwei aus dem Zigerschlitz so richtig in Fahrt. Wir sprechen miteinander wie auf Knopfdruck, im urchigsten Dialekt über dies und das! Endlich wieder einmal so sprechen, wie einem der Schnabel gewachsen ist …

Je älter man wird, desto mehr braucht man einen Weißt-du-noch-Freund.

Tilla Durieux




Kommentare

2 Antworten zu „Sie finden sich überall …“

  1. Auf Reisen suchen viele Glarner eigentlich nicht das fremde Land, sondern das Glarnerland mit Sonne.“

    Zitat von Erwin Kurt Scheuch leicht abgewandelt… 😉

    1. Hei Benz!
      Danke, schönes Zitat. Wir Glarner* sind tatsächlich immer auf der Suche nach der wirklichen Heimat, mit ehrlicher Anerkennung und freiem Denken. Das enge Tal und das fehlende Licht macht vielen Einheimische, welche nie ausserhalb ihres Kantons gearbeitet haben, sehr stur.

      Treffen sich Glarner* irgendwo in der Schweiz oder grossen weiten Welt, haben sie sich meistens aus ihrer engen Schale befreit. Sie können sich endlich, fernab von Richtern, Filz und anderen Obrigkeiten, so richtig entfalten. Dann erst sind sie (bin ich) stolz ein Glarner oder eine Glarnerin zu sein. Das Glarnerland* verfügt über ein gutes Fundament zum Aufwachsen und Gedeihen. Nur mit der Pflege, dem Aufziehen und Hegen der verschieden Ziegerblumen hapert es halt da und dort. Besonders feinfühligere und zartere Pflanzen gehen unter und leiden je nach Pflanzplätz etwas mehr oder weniger.

      Was mir auffällt, den Glarnerdialekt haben die meisten Auswärtigen fast verloren. Wenn man genau hinhört, erkennt man den Glarner an vereinzelten Wörter, die sie meist unbewusst noch gebrauchen. Es ist wie ein Geheimcode. Wir outen uns dann sofort und kommen gerne ins Gespräch. Die Glarner, welche zu arg verletzt und enttäuscht wurden in ihrer alten Heimat, die gebrauchen nie ein „Glanerwort“ (oder Geheimcode). Wenn sie sich trotzdem irgendwem anvertrauen, dann haben sie mit ihrem Heimatkanton und Elternhaus ganz gebrochen. Sie wollen mit keiner Silbe ans Glarnerland erinnert werden … Diese Pflanzen finden sich dann auch nicht mehr in ihrer Wahlheimat zurecht. Sie tragen die ganze Berglast auf ihrem Rücken (sie werden zu Boden gedrückt) und bleiben zeitlebens besonders schwierige Zeitgenossen.

      * gilt eigentlich für alle Bergkantone.

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