Dem Glücklichen schlägt kein Gewissen

„Guten morgen Heiri! Auch wieder einmal hier in am Murtensee?“ „Ja, ja, endlich wieder einmal, wie doch die Zeit vergeht!“, antwortet der Begrüsste lachend. Leutselig frage ich: „Geht es dir und deiner Marie gut?“

Da reckt Heiri seinen runden Kopf und steht etwas kurzatmig von seiner Ruhebank auf:
„Ich habe einen morz mässigen Aerger!“
„Ach, was?“ reagiere ich teilnahmsvoll und neugierig. „Ja weiisch – wir haben doch die obere Wohnung in in unserem Haus renoviert und dann wieder vermietet…“, und er fügt seufzend an: „Diese elende Mieterin zahlt seit drei Monaten die Miete nicht mehr! Wir mussten sie betreiben. Eine sehr unangenehme Sache ist das! Wer das nicht selber erlebt hat – der hat keine Ahnung!“ Heiris Gesichtsfarbe verfärbt sich in ein ungesundes Rot. Er fährt weiter: „Jaahh, auch der Betreibungsbeamte war deswegen bei uns zu Hause – eine sehr peinliche Sache – und erst noch die Polizei! So etwas Gschämiges…!“ „Wieso die Polizei?“, unterbreche ich ihn! „Ja, weiisch, diese feine Dame stiehlt Autos und hat sie sogar in unserer Scheune deponiert!“, erklärt mir mein Gegenüber.
„Jäh Heiri säg! Kannst du diese Person nicht einfach aus dem Haus werfen?“
„Doch doch, aber dies ist rechtlich erst nächste Woche möglich, mit Hilfe der Polizei! Und jetzt – hör mal gut zu, das Schönste ist, ich muss die Wohnung auf meine Kosten renovieren lassen! Keine Versicherung hilft – so einen himmeltraurigen Staat haben wir!“, wettert der Heiri in einem Atemzug.
Ich seufze verständnisvoll… Heiri beruhigt sich etwas und schaut mit wässrigen Augen zum Himmel: „He und der Hund ist mir, in den ganzen Trubel hinein, auch noch gestorben!“ „Oh Gott Heiri, das tut mir aber Leid! So ein Unglück! Das ausgerechnet jetzt! Gäll das tuet grüseli weh!“

In diesem Moment gesellt sich auch Heiris Frau zu uns. Anteil nehmend gehe ich auf sie zu: „Oh Marie, das tut mir aber so Leid mit eurem Hund. Ich Drück‘ euch die Daumen, dass der Auszug eurer Mieterin einigermassen gut abläuft; auch dass sich der Schaden in Grenzen hält!“
„Aeh, dumms Züüg“, erregt schüttelt Marie den Kopf und guckt verärgert ihren Heiri an: „Das daaa…“, sie zeigt dabei energisch auf den Rasen vor ihrem Wohnwagen. „Das sind Sorgen, sag ich dir – das mit dem Hund und der dummen Gans kann ich noch leidlich verkraften! Doch diese durchtriebenen Wühlmäuse können einem den guten Schlaf rauben. Die lassen sich nicht so einfach vertreiben! Hab’s mit Mottenkugeln versucht – literweise Essig gespritzt – alles für die Katz!“ Marie wendet sich empört zu mir: „Siehst du diese Stecken im Boden? Unter jedem Holzstab befindet sich eine spezielle Falle für die Wühlmäuse! Meinst du, die gehen da rein?! Nein, dieses Pack gräbt und wühlt exakt daneben neue Erdhaufen auf, dass es klöpft und täscht! Da hilft jetzt nur noch Gift. Jetzt ist endgültig fertig lustig mit diesen Mäusen!“
„Och, und wenn diese tot irgendwo liegen und vor sich her stinken?“, wende ich ein. Heiri doppelt nach: „So, da hörst du es! Wenn sich dann eine, mit dem Zeugs im Bauch, in unseren Wohnwagen verkriecht und dort verr…t, dann Guet Nacht am Sächsi!“ Da fährt ihm Marie ganz wild ins Wort: „Denk nicht so zimperlich und hab‘ kein Erbarmen mit diesen Viecher!“
cgr_maulwurf
aus: www.karikatur-cartoon.de

In sich zusammenfallend schüttelt Heiri seine schweren Kopf, holt tief Luft, setzt sich auf seine Ruhebank und seufzt: „So ein Gestürm, wegen ein paar Mäusen. Unsere Mieterin, die uns übertölpelt hat, plagt mich um einiges mehr!“ Für mich ist es Zeit.

Nachdenklich verabschiede ich mich von den beiden und sinniere still mit Wilhelm Busch, der einst zitierte: „Dem Glücklichen schlägt kein Gewissen!“. Ob dieser Satz einzig an uns Menschen gerichtet ist, steht für mich, nach dem Gehörten, nicht einwandfrei fest.
Doch ohne Kompromiss und Wenn und Aber kann – dank einem weiteren Zitat von Busch – das Getier ganz eindeutig ausgeschlossen werden:
„Denn der Mensch als Kreatur hat von Rücksicht keine Spur.“


Kommentare

3 Antworten zu „Dem Glücklichen schlägt kein Gewissen“

  1. Das ist ja wieder eine Story.. Leider sind solche Geschichten immer wieder zu vernehmen. Vermieter haben es in dieser Beziehung wirklich nicht immer gut.
    Das mit den gestohlenen Autos ist wirklich noch das Tüpfchen auf dem „I“.
    Trotzdem: Manchmal habe ich das Gefühl, ein wenig Menschenkenntnis und Neugierde könnte helfen, solche „Katastrophen“ zu vermeiden…

    Aber als Besitzloser kann ich gut reden! 🙂

  2. Vetrauen ist gut – Kontrolle besser! Denn jeder Vermieter sollte wissen, dass er vom zukünftigen Mieter (vor Vertragsabschluss) einen Auszug aus dem Betreibungsregister verlangen kann. Die meisten Vermieter verlangen auch noch eine Kaution von ein bis drei Monatsmieten… (nur diese wäre in obigen Fall nur ein Tropfen auf einen heissen Stein)…

  3. Aber eben: In deinem Fall scheint das Problem eh sekundär zu sein: Mäuse knabbern am Fundament – Säumige Mieter nur an der Tasche! 🙂