Wenn Erwachsene sich arrangieren …

... wird ganz sicher Alles gut!

Mein Vater arbeitete in einer der nahe gelegenen Fabriken. Deshalb hatte er ein Anrecht darauf, mit uns in einer Fabrikwohnung wohnen. In den meisten Familien arbeitete, nebst dem Vater, auch die Mutter in einer der Fabriken. Meine Mutter, sowie Tamaarutschka’s Mutter „durften“, gemäss Anschauung unserer Väter, nicht auswärts arbeiten. Es geziemte sich damals nicht, dass Frauen von besser verdienenden Angestellten sich irgendwo noch etwas dazu verdienten, es könnte ja so aussehen, dass der Mann zu wenig Geld nach Hause bringen würde …

Tamaarutschkas und meine Mutter hatten dann irgend wann einmal die Idee, Kinder von arbeitenden Müttern bei sich zu Hause zu betreuen. Ziemlich schnell wurde von den den beiden diese verantwortungsvolle Aufgabe in die  Tat umgesetzt. Meine Mutter (ursprünglich eine Italienerin) war verantwortlich für die Kinder in unserem Dreifamilienhaus (unter anderem gehörte auch „mein Roberto“ dazu). Tamaarutschkas Mutter ihrerseits, betreute die Kinder, welche in ihrer Nähe wohnten.

Anzufügen ist, dass Tamarutschkas Eltern Russen waren. Sie flüchteten während dem zweiten Weltkrieg,  mit ihren zwei grösseren Kindern und der Babuschka, von Lettland in die Schweiz. Tamarutschka war einige Jahre später (wie ich), hier in diesem Quartier auf die Welt gekommen.

Bei Abwesenheit unserer eigenen Eltern beaufsichtigten uns (als Gegenleistung) diejenigen Frauen, welche ihre Kinder tageweise unseren Müttern überlassen hatten. Deshalb wurden innerhalb unseres Hauses die Wohnungstüren nie abgeschlossen. Abends wurden lediglich die Haupttüren und Kellertüren abgesperrt. So konnten wir Kinder, wenn unsere Eltern abends noch weg mussten, jederzeit in der Nachbarwohnung „Hilfe holen“. Wenn zum Beispiel mein kleiner Bruder weinte, war sofort jemand an seinem Gitterbett und tröstete ihn oder gab ihm einen Schoppen (die Häuser waren sehr hellhörig). Die Gebete und und Lieder, der gerade hütenden Person, hörten sich so lustig und unbeschwert an. Wir fühlten uns sehr geborgen und gut umsorgt. Also mein Bruder und ich konnten ziemlich rasch das „Schutzengeli mein“ auf italientisch und holländisch aufsagen …

Wieder einmal haben meine Eltern zu mir gesagt: „Du Vreneli, wir müssen heute abend noch weg. Du darfst noch etwas zu Roberto gehen uns spielen. Dein Bruder schläft schon, also mach keinen Lärm, wenn dich Robertos Mutter zu Bett bringt.“ – „Jaa ah, Mami, ich bin dann schon leise!“ Während meine Mutter meinen Bruder schöppelt, bringt mich mein Vater nach unten! Roberto sitzt bereits in seinem Bett und betrachtet ein Kinderbuch. Ich setze mich zu ihm und gucke mich etwas gelangweilt in seinem Zimmer um. Mein Vater kommt noch zu uns ins Zimmer, um sich von mir zu verabschieden. „Sei brav, gäll Vrenli! Und du Roberto pass ja gut auf mein Tschinggeli auf!“. „Mach ich Chef, Tschüss Fridolin!“

Draussen hören wir, dass mein Vater zu Robertos Vater sagt! „Du Alceo, das Loch haben wir schnell gemacht. Wir müssen dann nur noch das Elektrisch einziehen, den Kühlschrank anschliessen und fertig ist die Sache! Also, mach dir keine Gedanken, gemeinsam schaffen wir das schon!“ Roberto flüstert: „Stell dir vor, wir bekommen einen Kühlschrank. Dieser steht dann für alle erreichbar zuunterst im Flur, und jede Familie darf dann ein Fach für sich nutzen.“ – „Hey das darf nicht wahr sein! Einen Kühlschrank! Dann leben wir auch so vornehm wie der Fabrikdirektor!“, freue ich mich. Bald kommt Robertos Mutter. Wir beten auf Italienisch: „Sento una campana“ und „Il mio angelo custode“. Roberto bittet seine Mutter darum, dass ich diese Nacht bei ihm im Zimmer schlafen dürfe. Da Morgen Samstag ist hat diese nichts dagegen. Sie bekreuzigt uns Kinder mit Weihwasser und ermahnt uns, ja ruhig zu sein. Nach etwas Kichern und Blödeln schlafen wir zwei ein.

Am Morgen weckt uns die Sonne. Im Haus ist es noch still. Als erstes kommt mir der Kühlschrank in den Sinn. Noch einmal frage ich Roberto, ob das wirklich wahr sei. „He ja doch, Vreneli. Komm mit!“ Gemeinsam steigen wir ins unterste Geschoss. Tatsächlich da steht das kostbare Gerät. Auf einem Tisch steht schon das Werkzeug bereit. „Du Vreneli, wir könnten doch schon mal beginnen das Loch zu machen!“ – „Ja meinst du, und wo?“ – „Das ist egal! Hauptsache ist, die haben ein Loch für diese Drähte da!“ Gut, ich bin einverstanden. Roberto nimmt den einen Hammer und ich das Spitzeisen. Roberto hämmert wie verrückt in die Wand und ich helfe mit dem Spitzeisen nach! Tatsächlich kleinere Steinstücke lösen sich! Das bestätigt uns, dass wir die Sache richtig machen. Wir merken, dass wir mit dem kleineren Hammer der ein richtige Spitze hat noch viel besser vorwärts kommen. Zwischendurch stochere ich mit einem Schraubenzieher im Loch rum. Der Mörtel bröckelt so noch wunderbarer ab! „He Tschau Fridolin! Sei già al lavo … „Per Cielo! Was macht ihr da! Seid ihr nicht bei Trost?“ Robertos Vater kommt in Fahrt. Robertos Mutter eilt auch herbei: „Mama, mia che cosa ai fato! Che stubito!“ Mein Vater hört den Lärm. Schon steht auch er bei uns: „Ich habe schon Hämmern gehört. Habe aber gemeint, das seist du Alceo?“ – „Und ich habe gemeint, das seist du, Fridolin!“. Die beiden lachen und die Signora schimpft mit uns. „He Alice! Non è cosi male! Zum Glück haben die hier im Flur gehämmert und nicht in ihren Zimmern!“ Mein Vater staunt: „Ich muss sagen, die sind in so kurzer Zeit sehr weit gekommen!“ Mit diesen Worten hat sich die Sache erledigt. Auf jeden Fall hat das Frühstück heute morgen besonders gut gemundet – und – das Beste ist, meine Mutter hat vor lauter Schöppelen und Wickeln, von unserem wackeren Zapfenstreich nichts mitbekommen …

Gut Morgenstund hat Gold im Mund!

Nur Faule werden am Abend fleissig!

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