Alle Jahre wieder…

Man muss

Es läutet an der Haustüre. Mein Chicco bellt vor Freude. Ich grummle: „Wer stört mich jetzt schon wieder mitten in meiner Arbeit?“. Durchs Guckloch erspähe ich meine liebe Nachbarin Else. „Oh, Gott!“. Mit einem Stossgebet zum Himmel öffne ich die Tür und begrüsse gemeinsam mit Chicco unsere allerliebste Nachbarin.

Hör zu, Chicca!“,  Else eilt in die Stube. „Wir gehen nächste Woche, für vierzehn Tage in die Ferien!“ – „Ach wie schön!“, ist meine Antwort. In meinem Hirn jubelt es gewaltig. Endlich ein paar Tage Ruhe, keine Kontrolle darüber – was, wann, wo, wie lange ich etwas mache oder nicht tue… Auf die Frage, wohin es diesmal gehe, streckt sich Else, stemmt die Hände in die Hüften und verkündet mir mit voller Inbrunst: „He, wir fliegen nach Indien. Raus aus der ungemütlichen feuchten Schweiz. Auf diese Weise können wir wunderbar, den Winter verkürzen. Das muss jetzt sein! Wer jetzt nicht verreist ist selber schuld! Eine solche Chance kommt nie mehr; da musst du einfach zugreifen und gehen!“ Da fällt mir ein, dass Elses Mann, der liebe Max, an Hautinfektionen leidet und unbedingt die direkte Sonne meiden sollte. Darauf antwortet mir Else: „Kein Problem, der kann einen Hut und entsprechende Kleider überziehen. Oder er soll halt im Hotel warten bis es Abend ist… – Zuhause schaut er ja auch immer Fernsehen, warum nicht ebenso in der Klima gerechten Hotelsuite!“ Ich zucke mit der Schulter. Else mahnt mich, dass ich am Vortag ihrer Abreise zu ihr kommen solle, damit sie mir alles, aber wirklich alles zeigen und erklären könne, was in ihrem Haus und Garten, während ihrer Abwesenheit, zu tun sei.

Pünktlich, wie von ihr verlangt, trabe ich bei Else und Max an, damit sie mir ordnungsgemäss ihre Hausschlüssel und ein paar Anweisungen übergeben können. Da die beiden ihr Reisegepäck, bereits heute Abend am Flughafen abgeben können, hat Else gar nicht so viel Zeit, zum Alles zu erklären. Sie übergibt mir mit ernstem Gesicht die Schlüssel und dann drückt sie mir noch einen Zettel in die Hand: „So, das ist die Adresse, wo wir sind, und du uns, falls die Schwester stirbt sofort benachrichtigen kannst!“ – „Ja, sag mal Else dafür sind doch deine Töchter zuständig! Oder sind sie auch ausserhalb der Schweiz?“, –  „Ja, auf die kannst du dich nicht verlassen. Ähh! Sag aber denen, falls s’Gritli gestorben ist, dass sie mit der Urnenbeisetzung warten sollen, bis wir zurück sind…!“ Mir bleibt die Spuke weg! Schon wedelt Else mir einen zweiten Zettel zu – ja einen ganz kleinen und voll beschrieben mit blauer Tinte: „Hoffentlich kannst du das lesen!“, meint Else und setzt ihre Korrekturbrille von der Nase auf ihr tuppiertes Haupt, hält dieses etwas schräg und kneift ein Auge zu und liest mir folgendes vor:

„Liebe Chicca
Post und Zeitungen sortieren und aufs Schränkli legen.
Am Montag, den Grüngutwagen nach draussen bringen und
am Abend wieder in die Garage versorgen!
Im Gewächshaus die Pflanzen giessen,
unbedingt mit Regenwasser!
Bitte die verdorrt aussehenden Geranien ebenfalls giessen,
werde diese aber nach den Ferien entsorgen.
Am Vorabend bevor wir nach Hause kommen,
bitte die Heizung einschalten.
Besten Dank und Gruss Else.“

„Ach ja, und was ich dir noch sagen wollte. Falls du draussen etwas giessen müsstest, dann muss du unbedingt das Regenwasser aus der Tonne nehmen, da ich den Hauptwasserhahn abgestellt habe. Man weiss ja nie:“ Rohrbruch und anderes mehr…!“
Mit einem: „Werde ich so erledigen!“, danke ihr für den Zettel, und will mich davon machen. Da ruft Max aus dem Hinterhalt, äh aus der guten Stube: „Komm mal, hier habe ich seltene Pflanzen aus der Wüste, die solltest du jeden zweiten Tag mit diesem Wasser besprühen! Ja nicht zu viel, sonst verschimmeln sie!“ Ich atme tief durch: „Kein Problem, wird erledigt!“ – und – schon ruft nochmals Else: „Ach ja, oben im Büro habe ich diese Bäume, du weisst schon! Bitte gib denen noch Wasser bevor wir heimkommen, aber ja nicht zu viel!“ – „Schon gut Else! Also ich muss jetzt selber, mein Mann kommt nach Hause, muss doch für ihn noch kochen! So, tschüss ihr Zwei, habt schöne Ferien und kommt gesund zurück!“-  „Nein warte noch!“, ruft Else und ergänzt: „In der Küche habe ich einen Ruhmtopf mit Feigen. Jetzt könntest du mir, so sagen wir, ähh ca. übermorgen diese zwei Feigen noch rein legen. Denn jetzt sind sie dazu noch unreif und sagen wir mal, bis übermorgen könnten die für den Topf gut sein! Aber du musst den Inhalt im Topf nochmals gut umrühren! Das ist wichtig!“ In mir grummelts und mit einem energischen „Tschüss!“ mache ich mich davon…

06-01-25 Fresspflanze Neu

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Bei mir zu Hause setze ich mich erst mal hin. Betrachte kopfschüttelnd Schlüssel und die beiden Zettel! Das Telefon läutet, mein Sohn ist dran. Auf meine Erzählung hin grinst er hinterhältig und meint: „Du bist selber schuld! Wieso gibst du denen nicht mal den Tarif durch, und sagst ihnen, dass du für sie nicht jedes Jahr den Hampelmann spielen willst!“ Ich spüre wie ich einen dicken Hals bekomme und wechsle dann mit einem „Gopferdeggel nochmal!“ das Thema.

Auf jeden Fall habe ich dann Alles pflichtbewusst erledigt, was mir von Else und Max aufgetragen worden ist. Nur, wenn die beiden mir dabei zugesehen hätten, hätten sie mir ihren Schlüssel nie und nimmer mehr übergeben. Denn, am nächsten Tag, nach ihrer Abreise bin ich durchs ganze Haus gedüst. Habe die Feigen eingelegt, obwohl noch grün „die werden durch den Ruhm von selber ecklig dunkelbraun!“ … Dann habe ich die seltenen Pflanzen mit Wasser begossen. Auch den Bäumen im Büro habe ich genügend Wasser gegeben. Dann die Pflanzen in der zweiten Garage habe ich so gut gegossen, dass der Unterteller übervoll geworden ist… Die Geranien in den Töpfen habe ich eingeschwemmt. Mit diesem vorzeitigen Wasserkonsum hat sich der Wasserspiegel in der Regentonne zuverlässig schon im voraus gesenkt. Denn dieser wird von Else kontrolliert… und entsprechend kommentiert…! He hallo, zu allerletzt habe ich (auch am Abreisetag von Else und Max) die Heizung eingestellt (damit dieser Auftrag garantiert rechtzeitig erledigt ist…) Einzig die Grüntonne!? Was mach ich damit, damit ich am Montag nicht daran denken muss? Kurz, ich kippte das vermoderte Zeug auf den Misthaufen (vom benachbarten Bauernhaus). Nach dem Motto: „Aus den Augen aus dem Sinn!“ Einzig die Post habe ich jeden Tag erledigt – dies auch zur Kontrolle, ob im Nachbarhaus wirklich alles in Ordnung ist!

Nach vierzehn Tagen läutet es wie erwartet an meiner Tür. Die Ferienreisenden sind gesund und munter zurück. Strahlend und dankend übergeben sie mir ein Feriensouvenir für meine so tolle Betreuung von Haus und Pflanzen. „He Chicca, was hast du mit den Geranien gemacht, ich muss gar keine entsorgen! Hatte noch sie so schöne kräftige Exemplare. Die Pflanzen im Büro blühen auch schon, noch kein Jahr so früh! Die Pflänzchen im Wohnzimmer haben sich vermehrt! Wir können davon sogar Ableger machen! Nur die Heizung hat nicht funktioniert. Du hast diese zwar rechtzeitig eingeschaltet! Nur ICH – Dubbel habe dir vergessen zu sagen, dass du ganz hinten im Keller den Oelhahn auch noch aufdrehen musst!“ Ich frage: „Was für ein Oelhahn!? Nie gehört und wieso abgedreht? Das ist mir neu!“ Da erklärt mir Max: „Den musst du aber immer abdrehen, wenn du länger ausser Haus bist. He, es könnte ja sein, dass es irgendwo mal rinnt …!“

Damit ich keinen Lachanfall kriege, frage ich die beiden, wie es denn in den Ferien gewesen sei. „Ach, es war viel bewölkt, einmal hat es sogar geregnet und die Biese ist gegangen wie verrückt! Man konnte nie ohne warme Jacke auf die Strasse… und bei euch? Ihr habt sicher wieder Schnee und sonstiges Huddelwetter gehabt?!“ – „Nicht im geringsten!“, antworte ich. „Es war praktisch die ganze Zeit sonnig!“,  wir konnten sogar am Nachmittag etwas draussen sitzen. Erst letzte Nacht hat es wieder begonnen zu regnen!“ Da empört sich Max: „Du erzählst uns einen Seich! Das kann doch nicht sein! Und wir haben gedacht, wir hätten den Winter verkürzt…!“ Ich zucke mit den Schultern und meine dazu: „Dafür habt ihr etwas Abwechslung gehabt und viel gesehen!“. Da meint Else etwas kleinlaut: „Ja schon, aber wir haben im Hotel irgend etwas erwischt. Vom dritten Tag an, bis vorgestern hatten wir Bauchweh und anderes mehr! Eigentlich wären wir ganz froh gewesen, wenn die Schwester in der Zeit hätte sterben können!“ Ganz baff frage ich: „Ach wieso denn das?“ Da erklärt mir der liebe Max: „Weisst du, dann hätten wir doch vorzeitig nach Hause kommen können, ohne Kostenverlust! Und wir hätten hier die paar warmen Frühlingstage geniessen können!“.  Mitleidig schaue ich die beiden an und denke für mich: „… und erst noch ohne Dünnpfiff!“

Urlaub-6

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Kommentare

2 Antworten zu „Alle Jahre wieder…“

  1. Das ist ja so richtige Zuglektüre. Unglaublich, was man sich freiwillig antut. Auf der anderen Seite ist ja auch wiederum schön zu sehen, dass eben Mut zur Lücke gar nicht ausgereizt genug sein kann.

    In dem Sinn: Mut zum Rupfen. 😉

    Liebe Grüsse aus der S3

  2. Laotse sagt: Verantwortlich ist man nicht nur für das, was man tut, sondern auch für das was man nicht tut!

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