Wenn auch nicht anständig,

doch ich musste einfach wieder einmal meine Ohren spitzen!

Neben mir am Tisch sitzen drei Generationen. S’Grossmüeti fällt mir als erstes auf. Ihr feinrunzliges Gesicht, ihre hellen und wachen Augen, ihr ganz feines und gelblich scheinendes Haar, sowie ihre etwas biedere Ankleide widerspiegeln eine herzensgute und wackere Frau, die ihr Leben noch rechtschaffen meistert. Die neben ihr sitzenden, schon fast erwachsenen Enkelkinder scheinen sich sehr zu langweilen. Ihre Köpfe sind so schwer, dass sie diese immer mal links, dann wieder rechts abstützen müssen. Tochter und Schwiegersohn sitzen ebenfalls etwas gleichgültig da und warten darauf, dass die Esserei bald zu Ende sei.  Als s’Grossmüeti ihnen noch einen Dessert offeriert, winken alle dankend ab. Man habe doch zu Hause noch einiges zu tun …

Da meint s’Grosmüeti zu ihrer Tochter: „Du Anneli, ihr müsst euch dann nicht mehr um den Thuja kümmern. Der Bumä kommt und schneidet mir diesen. Stellt euch vor, er meint er habe diese Arbeit in vier Stunden erledigt. Er sei mit einer Vergütung von dreihundert Franken mehr als zufrieden.“ Irgend jemand brummelt etwas von „unverschämt“, dann erklärt s’Grosi so ganz unbekümmert: „Ja, stellt euch vor. Als ich mit dem Ätti diese Saubüez gemacht habe, haben wir dafür zwei Tage  gebraucht – und – ich musste erst noch alles selber zusammen rechen. Das sei Frauenarbeit, hat der Ätti immer gesagt. Also der Bumä übernimmt dann dieses Nachwischen auch noch, das sei in den dreihundert Franken enthalten und ganz gar keine Frauenarbeit!“

Die Tochter schaut mit der Schulter zuckend erst zu ihrem Mann und dann in Richtung ihrer Mutter: „Säg Mammä, hast du die Steuererklärung mit allen Unterlagen beieinander, damit ich diese dann noch rechtzeitig fertig machen kann!“ – „Äh natürli, Anneli! Diese liegt wie immer im oberen Schäftli! Jetzt kommt mir gerade noch in den Sinn. Gäll Anneli, wenn ich einmal nicht mehr da bin, dann gehören die Porzellanpuppen, die ich ganz hinten im grossen Schrank versorgt habe, ganz alleine dir. Nimm sie aber ganz vorsichtig raus, damit sie keine Risse erhalten. Ich nehme an, bei dir sind diese kostbaren Püppchen am besten aufgehoben …!“

Erstmals meldet sich der Schwiegersohn zu Wort und sagt zu seiner Frau: „Anni, ich möchte dann dieses Zeugs nicht im Wohnzimmer auf der Polstergruppe haben. Das sieht dann zu bünzlig aus!“ Ich sehe gerade, wie die Tochter ihrem Mann eines ins Bein ginggt. S’Grosi wendet sich an ihren Schwiegersohn: „Äh, du bist wie der Ätti, als er noch lebte! Der wollte nie irgendwelchen Firlefanz im Wohnzimmer. Besonders vehement hat er mir verboten, dass ich den wunderschönen Clown Carlo, den ich in Mendrisio für teures Geld erstanden habe, irgendwo im Wohnzimmer zur Schau stelle. He, so nu dä! Nun sitzt jetzt mein Carlo an Ättis Platz. Wisst ihr, genau in der runden Ecke der Polstergruppe, wo dä Ätti immer seine Fernsehprogramme verschlafen hat!“ S’Grosis Augen blitzen und es ergänzt schnell: „Stellt euch vor! Clown Carlo sitzt dort schon seit der Beerdigung. Daneben habe ich noch meine selbst gebastelten Puppen trappiert, zwei zu Carlos linken und zwei zu seiner rechten. Das sieht so schön und gemütlich aus – und ich darf sogar mit denen plaudern so viel ich will …!“

Nun motzen die Enkelsöhne, dass sie jetzt endlich mal nach Hause wollen …! S’Grosi lässt sich nicht aus der Ruhe bringen: „Was ich noch sagen wollte. Ich habe dem Ätti auf dem Sterbebett versprechen müssen, dass ich noch die Balkonbretter fertig abschleife und das ganze Geländer frisch einöle. Nun, ihr zwei Grossen, könntet ihr nicht für mich diese Latten mit der Maschine etwas anschleifen? Euch ginge das doch etwas ringer von der Hand als mir! Das Anstreichen mach ich dann schon selber!“ – „Hä, wir sollen … wie meinst du das Grosi?“ – „Ist schon gut ihr Buben. Ihr habt ja so viel um die Ohren …!“

Endlich schwenkt s’Grösi ihren Geldbeutel: „Ach Fröilein, kommen sie doch bitte, ich  möchte das Alles bezahlen, damit meine Herrschaften noch rechtzeitig nach Hause kommen!“ S’Grosi lächelt freundlich die Serviertochter an und drückt ihr  noch ein Nötli in die Hand: „Ich glaube dieses ist bei Ihnen besser aufgehoben!“

Der Lebenskluge weiss,

welche seiner Erfahrungen

auf den Sperrmüll gehören.

Attila Ohm


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